Sicher nicht das, was gegenwärtig noch als Punk und Hardcore von der Industrie vorgesetzt und auf den Markt geworfen wird. Und im sogenannten Underground tummeln sich auch viele einfallslose Metal-Klon-Bands unter dem Deckmantel Hardcore ...
Was war denn dann früher Punk und Hardcore ? Dazu dürfte es genug Fachliteratur geben. Für mich persönlich waren es auch SST-Bands wie Hüsker Dü und Black Flag, deren Sound, deren Spirit. Kids von heute kennen vielleicht gerade mal Bad Religion und die Modelabels suggerieren, dass Ramones - Shirts hip sind. Aber warum alten Zeiten nachtrauern. Es gibt ihn doch immer noch, den Punk ... Nur die, die ihn machen, wissen nichts davon.
Ich rede vom modernen Jazz ( und Artverwandtem wie Jazzrock, Fusion usw. ). Hier sind meist exzellente Musiker am Werk, die bei Ihren Kompositionen, Arrangements und Veröffentlichungen eines nicht im Blick haben können, den kommerziellen Erfolg, denn sonst würden sie eben gerade keinen Jazz machen. Wie besessen üben sie jahrelang ihr Instrument, perfektionieren sich immer wieder neu, studieren und improvisieren weit über die Grenzen des Hörerverständnisses hinaus, um am Ende sich selbst genug zu sein. Sie wissen von Beginn an, dass sie niemals oder kaum Erfolg im großen Stil mit dieser Musik haben werden, riskieren finanzielle Existenzsorgen und müssen sich mit einem kleinen, vielleicht sogar noch sehr wählerischem Publikum begnügen.
Dieser Idealismus und diese Hingabe für diese eine Sache ... sind für mich Punk. Projekte und Bands setzen sich meist aus verschiedensten Nationen / Kulturen zusammen. Diese Offenheit und Toleranz ... auch eine Form oder Eigenschaft des Punk. ( Dagegen stelle man die uniform gestylten tätowierten und standesgemäß gepiercten Metaller, die sich als Hardcore verstehen.)
Nun wird es Zeit, Beispiele zu nennen : Nichts leichter und lieber als das !
Ich möchte diesen Artikel eigentlich als eine Art Hommage an die Pianistin Hiromi Uehara und ihre Band Sonicbloom bezeichnen. Diese bunt gemixte Truppe hat einige superbe Alben eingespielt und auch ein unfassbares Konzert als Live-DVD hinterlassen. Hier findet man alles, was das Herz begehrt : begnadete Musiker, ein Zusammenspiel, welches man nicht in Worte fassen kann, schöne melodische Momente, ekstatische Soli, Leidenschaft pur und nicht zuletzt einen gehörigen Schuss Verrücktheit bei allen Beteiligten. Wer diese DVD gesehen und ansatzweise "verstanden" bzw. cerebral verarbeitet hat, der wird mir zustimmen : das ist eigentlich Punk.
Obwohl Hiromi wirklich innerhalb ihrer Sparte und Klasse Erfolg hat. Weltweit sind sich Kritiker einig, dass sie zum Besten gehört, was hinterm Klavier sitzt. Wobei Hiromi meist bei ihren atemberaubenden Klavierekstasen eher steht, hüpft und stampft ... und damit unweigerlich den Zuschauer ansteckt und zum Mittanzen animiert, obwohl die Musik alles andere als tanzbar ist. Und es ist eine Genugtuung, zu lesen, dass auch die Klassik-Kritiker den musikalischen Ausbruch der exzellent ausgebildeten Hiromi in die Jazz-Freiheit positiv würdigen. Verglichen mit dem Erfolg, den bekannte Rock- und Pop-Acts verbuchen, ist und bleibt Hiromi eine kleine unbekannte verrückte Asiatin, die die breite Öffentlichkeit eigentlich nicht wahrnimmt. Aber sie hat alles richtig gemacht. Sie ist sich treu geblieben und ihr eigener Meister geworden, schart andere musikalische Genies um sich herum und hat der Welt Alben hinterlassen, die die Messlatte für die nächsten Jahrzehnte ganz ganz hoch legen.
Aber das klingt fast wie ein Abgesang. Hiromi ist noch jung und wahrscheinlich wild und verrückt genug, uns auch weiterhin zu überraschen und zu verblüffen. Solange solche Künstler die Welt bereichern, brauche ich keinen neuen Henry Rollins / Ian MacKaye oder Bob Mould. Wer bis hierher gelesen hat, der google mal was das Zeug hält und checke Hiromi-Youtube-Videos.
check this video here and watch it ´til the end !!! any questions ?
nik
über nik:
Seit zwei Jahrzehnten in der d.i.y-HC/Punk-Szene unterwegs. Betreibt HalfpipeRecords. Spielt(e) Gitarre
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