Montag, 7. Juni 2010

Anpassung anstelle von Bewusstsein

In der Theorie der Kulturindustrie verbinden Horkheimer und Adorno ihre Einzelmedienanalysen zu einer allgemeinen Theorie. Mit dem Begriff der Kulturindustrie sollte der Terminus Massenmedien vermieden werden, da dieser unterstellen
könnte, die Inhalte würden tatsächlich den Wünschen der Massen entsprechen. Auch handelt es sich dabei nicht um Kommunikation, so die Autoren.

Dabei werden „sowohl die Medien der Massenkommunikation, Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk, Schallplatte, Film, Fernsehen (...) als auch Museen, das Theater, Festivals, Buchwesen, Werbung...“ (Müller-Doohm, S.83) unter dem Paradigma der Kulturindustrie zusammengeführt. Das Individuum soll sich durch die Kulturindustrie mit dem Gegebenen einverstanden erklären.

Kritik an der Kritischen Theorie..

Besonders problematisch erscheint hier die Übertragung der Ergebnisse von Medienanalyse zur Rezeptionsanalyse. Es wird lediglich das Medienprodukt untersucht und ausgehend von dessen Eigenschaften auf die Medienwirkung geschlossen. Der Rezipient wird weiterhin als passiv und manipulierbar (“Verblödungsthese“) konzipiert. Außerdem wir den Massenmedien eine hohe Wirkung unterstellt. Empirisch begründet wird dies nicht. Es wird außerdem impliziert, dass es eine überwiegend repressive Verwendungsmöglichkeit von Massenmedien besteht. Einen bewussten, selektiven Umgang des Individuum mit den Massenmedien, der diesem keine negative Folgen beschert, planen Adorno und Horkheimer nicht ein. Die Möglichkeit der massenmedialen Verbreitung emanzipatorischer Inhalte wird ebenso verneint, da dies der Strukturlogik der Massenmedien widersprechen würde. Die Analyse der Kulturindustrie bezieht sich jedoch nicht nur auf die medialen Inhalte, sondern bezieht auch gesellschaftliche Kontexte mit ein. Außerdem betont die Kritische Theorie relativ früh die Rolle der Massenmedien bei der Wirklichkeitswahrnehmung (bzw. –Konstruktion) durch das Individuum. Den Rezipienten gesteht Adorno immerhin zu, dass diese die Inszenierungspraktiken der Massenmedien durchschauen würden.

Die Medienkritik der Frankfurter Schule hat durch die Einbeziehung der gesellschaftlichen Produktion-und Distributionsverhältnisse (u.a.) zu einer stärkeren Kontextorientierung der Medienanalyse beigetragen. Problematisch bleibt aber der Übertrag der Ergebnisse von Produktanalysen auf die Medienwirkung.

jv

„Der kategorische Imperativ der Kulturindustrie (...) lautet: Du sollst Dich fügen (...) fügen in das, was ohnehin ist (...), Anpassung tritt kraft der Ideologie der Kulturindustrie anstelle von Bewusstsein“ (Adorno zit. n. Müller-Doohm, S.83).


Read:

Adorno, Theodor W.: Resümé über Kulturindustrie. In: Pias, Claus u.a. (Hg) Kursbuch Medienkultur. Die maßgeblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard. Stuttgart. S.202-208

Adorno, Theodor: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente.1944.

Enzensberger, Hans Magnus: Das Nullmedium oder Warum alle Klagen über das Fernsehen gegenstandslos sind. Mittelmaß und Wahn. Gesammelte Zerstreuungen. Frankfurt: Suhrkamp. S.89-103. 1991

Müller-Doohm, Stefan:
Kritische Medientheorie- die Perspektive der Frankfurter Schule.
Neumann-Braun (u.a.) (Hg.): Medien-und Kommunikationssoziologie. Eine Einführung in zentrale Begriffe und Theorien. Weihnheim/München S.69-92. 2000

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