Dienstag, 9. November 2010

Im Gespräch mit Alexandra von Bolz'n




Sie hat ihre Stimme schon zahlreichen Bands und Projekten geliehen. Darunter etwa Kimusawea, The Ocean und der Grindcore-Formation Bolz'n. Derzeit steht sie für Crowskin aus Potsdam am Mikrofon. So unterschiedlich die genannten Bands sind. Sie eint doch, dass es sich stets um aussergewöhnliche Musik handelt, welche den Hörer auf die eine oder andere Art und Weise herausfordert.

Jetzt aber das Interview. Es geht um Konfliktmanagement, den Kunstbetrieb, Geschlechter-Klischees im HC und authentische Musik. Vorhang auf:


UtopiaNow:
Hallo Alex, wie geht's? Bin mir nicht sicher, wann du dazu kommst diese Fragen zu beantworten ... Wie läuft die Tour bislang?

Alexandra von Bolz'n: Danke, es ist jetzt nach der Tour und wir sind heil und gesund wieder angekommen. Es war anstrengend und durchwachsen. Wir hatten einige sehr witzige und spannende Erlebnisse, schöne Begegnungen und Gespräche, aber eben auch Downer. Ich denke, dass ist relativ normal. Touren im D.I.Y. Bereich sind immer ein wenig Glücksspiel, zumal wir auch eine Band sind, die nicht ständig auf Achse ist, so dass man nie genau sagen kann, wie viele Leute aufschlagen werden.

Dennoch ist jede Tour aus meiner Sicht eine wichtige Erfahrung für jede Band, man lernt sich anders kennen, was auch zusammenschweißt und man nimmt einige unauslöschliche Erinnerungen für sein weiteres Leben mit. Kurioses.

UtopiaNow: Seit wann bist du bei Crowskin an Bord und wie läuft es bisher?

Alexandra von Bolz'n:
Bei Crowskin bin ich seit circa 2 Jahren. Ich muss sagen, dass es die bisher entspannteste Banderfahrung ist, die ich je gemacht habe. und dabei aber ein immens hoher Output läuft. Wir haben Spaß, können zusammen lachen und berücksichtigen unsere Wünsche im kreativen Schaffensprozess. Soviel veröffentlicht in einer relativ kurzen Zeitspanne habe ich noch nie.

Derzeit stehen wir kurz vor der Fertigstellung einer LP, die Black Lava heißen wird und auf die ich mich sehr freue, weil ich sie als ein wichtiges Werk ansehe für mich. Sie wird bei Vendetta Records erscheinen, was mich auch immer wieder sehr freut.


UtopiaNow:
Warum haben sich Bolz'n eigentlich aufgelöst? Ich trauere dieser Band ja doch immernoch nach.

Alexandra von Bolz'n: Hm. Schwierige Frage. Bolz’n war von Anfang an ein sehr schwieriges Projekt. Künstlerisch, wie auch zwischenmenschlich. Viele Gründe flossen da mit ein: verschiedene Lebensstandpunkte, Ansichtsweisen, wir standen an unterschiedlichen Stationen im Leben und man schätzte auch Entwicklungen absolut unterschiedlich ein.

Wir hatten auch ein schwieriges Konfliktmanagement, um es mal vorsichtig zu umschreiben. Viele inhaltliche Auseinandersetzungen sind gleich zu Glaubenskriegen und Ideologiekämpfen mutiert, die mit sehr harten Bandagen ausgetragen wurden.
Wir hatten zwar auch Spaß, aber meist sind einige sehr stark ausgeprägte Egos in der Band geclasht – und da will ich mich jetzt selbst nicht ausnehmen von. Am Ende gab es eigentlich nur noch Streit und es ging eigentlich nur noch darum, wer sich und seine Ansicht mehr durchsetzt. Sehr sehr negativ leider.

Es ging dabei um musikalisches, aber eben auch um Außenauftritt, Anzahl der Konzerte, Layoutsachen und Aufnahmetechniken. Viele haben gesagt, dass man das genau in der Musik wieder gefunden hat. Am Ende war aber nur noch Druck da und keinerlei Diskussionskultur mehr. Sehr schade. Ich trauere der Band auch noch nach und ich weiß, dass ich damit nicht alleine bin und es anderen von uns da sehr ähnlich geht.
Bolz’n war für mich Grenzüberschreitung auf vielerlei Ebenen und das war sehr wichtig für mich.

UtopiaNow: Du hast deine Stimme schon vielen Projekten und Bands geliehen. Ist an dem Gerücht was dran, dass du auch mal bei The Ocean dabei warst?

Alexandra von Bolz'n: Ja, das stimmt und ist auch kein Gerücht, da auch Robin, das Mastermind vom „Kollektiv“ es selbst mal ein einem Interview erwähnt hatte. Ich war einige Zeit dabei, habe die Band aber kurz vor Ihrem ersten Auftritt verlassen, da ich sie zu autokratisch geführt fand.

Ich hatte dazu mit Robin auch viele Diskussionen. Außerdem bin ich nicht so gut darin, Texte anderer zu singen. Das kann ich nur, wenn ich mit ihnen etwas verbinde, wie es bei Kimusawea war, wo ich teilweise auch Texte unseres Bassers Hajo gesungen hatte. Robins Texte haben in mir nichts ausgelöst.
Aber wir verstehen uns noch.

UtopiaNow: Deine Texte, auf der Myspace-Seite sprichst du auch von Poems, sind oftmals Ich-Bezogen, soweit ich diese verstehe. Könntest du dir vorstellen auch eher konkrete, zusammenhängende Geschichten zu erzählen? Falls ja was könnten das für Geschichten sein?

Alexandra von Bolz'n: Ja, wenn ich das könnte würde ich das selbstverständlich in Angriff nehmen. Leider habe ich darin(noch?) nicht die richtige Technik.
Ich finde Kurzgeschichten total spannend. Themen wären Momentaufnahmen aus dem Leben, wichtige Begegnungen, kleine innere Dramen, Interaktionen, die scheitern, aber auch phantastisches. Verschriftlichte Traumreisen auch Zeitgrenzen überschreitend. Das würde ich gerne zu Papier bringen können. Ich bin aber mit meinen Ergebnissen, wie gesagt, nicht wirklich zufrieden.

Vielleicht bringe ich irgendwann einmal einen kleinen Gedichtband heraus. Mal schauen.


UtopiaNow:
Du bist auch immer wieder an experimentellen Projekten beteiligt, die eher im Kunst- Kontext, etwa im Rahmen der Transmediale, stattfinden.
Was reizt dich am Kunstbetrieb?

Alexandra von Bolz'n: Meiner Empfindung nach gibt es dort nicht so viele ideologische Barrieren und Zwänge wie in der Hardcore- und Metalszene. Man kann viel mehr ausprobieren und der künstlerische Selbstverwirklichungsprozess wird anders beurteilt. Respektvoller, freundlicher, positiver.

Aber ich bin nicht wirklich Teil dieses Betriebes, sondern docke dort ab- und an an.
Wirklich vorurteilsfrei ist man dort natürlich auch nicht, und mit meinem Schaffensbackground wirke ich auch dort schon irritierend. Die Szene, aus der heraus ich agiere, wird im Kunstbetrieb ja doch eher nicht wirklich hoch angesehen, meine ich. Formationen wie Sunn O))) haben das etwas verändert, aber im Großen und Ganzen greifen doch weiter Abgrenzungsmechanismen. Und brüllende Frauen, die daran auch noch Spaß haben, irritieren eigentlich noch immer.

(..)





UtopiaNow: Es gibt ja diese romantische Vorstellung, dass authentische, bedeutsame Kunst aus Unglück und Schmerz erwächst. Auch wenn es pathetisch klingt, so zeigt sich das doch in vielen Biografien. Wie siehst du das? Denkst du eine gewisse Unzufriedenheit, Weltschmerz.. wie
auch immer .. ist das eine Voraussetzung für deine Musik?

Alexandra von Bolz'n: Ja, da gibt es ja diverse Theorien, und für mich trifft es in gewisser Weise schon zu. Leiden ist ein immens produktiver Kreativitätsmotor. Durch meine Texte und meine Bands versuche ich mir gewisse Zustände zu erleichtern. Das ist einerseits schwierig für Menschen, die daran partizipieren, andererseits hat das auch durch seine Intensität Wirkung.

Ich denke, das wirkt durch jede meiner Bands und Formationen, was für viele verstörend ist und eher abstoßend. So etwas so öffentlich zu verarbeiten, kombiniert mit meinem eher martialischen Vokabular, darauf kommen viele nicht klar, denke ich; oder es löst in ihnen nichts aus bzw. man mag sich mit negativen Gefühlen nicht so gerne auseinandersetzen.
Andererseits erhalte ich von vielen Seiten zu Kimusawea zum Beispiel sehr positive Reaktionen, in dem Sinne, dass es für viele emotional eine sehr wichtige Band war.
Keine Ahnung. Ich sehe nur, wie lange ich schon Musik mache und wie so die Resonanz ist.


UtopiaNow:
Einerseits wird in einer Kritik auf deiner Seite deine Stimme sozusagen als "some of the most unfeminine sounds ever uttered (Stylus Magazine) gelobt, andererseits trittst du bei vielen Fotos , etwa für Alphacat, betont weiblich auf. Könntest du das etwas näher erläutern?

Alexandra von Bolz'n: Eine Gegenfrage: was an den Fotos ist denn betont weiblich? Dass man meinen Körper, die Körperformen sieht?
Ich weiß, dass diese Art der Inszenierung bestimmte Reaktionen triggert.

Ich finde es eher eine tendenziell offensive und dadurch auch aggressive künstlerische Form der (weiblichen) Selbstinszenierung, die aber auch ganz klar mit den Dogmen der HC-Szene kollidiert, so würde ich meinen. Das knüpft an meine Antwort zum Kunstbetrieb an. Ich möchte verschiedene Dinge ausprobieren und Fotos gehören dazu, in denen ich auch gewisse ästhetische Vorlieben ausleben kann.

(..)

UtopiaNow: Bolz'n waren extrem; Crowskin sind auch nicht gerade leichte Kost. Mit welcher Musik wachst du auf und begleitet von welchem Sound putzt du dir die Zähne? Welche Musik begleitet dich beim morgendlichen Kaffee?

Du wirst lachen, ich höre tatsächlich nicht so viel Musik daheim. Ich mache lieber selbst welche. Außerdem wurde mir das Musik hören durch meine Ausbildung sehr verleidet, wo wir den ganzen Tag Musik hören mussten.

Ich mag neben Geballer auch noch Postrock und elektronische Sachen, und die laufen dann manchmal, wie auch alte, ganz alte Technoklassiker und D’B.

UtopiaNow: Welche Bands begeistern dich derzeit?

Meine neue Mathcore-Formation ZAAR.

UtopiaNow: Last Words?

Alexandra von Bolz': Vielen Dank für das Interview, also dafür, dass Du mir eine Plattform und den Raum gegeben hast, mich zu äußern. Ich fand die Fragen spannend und immerhin bin ich ja auch fast schon ein Fossil in der Szene.

Surf to:

Crowskin

Alexandra von Bolz'n

Myspace


Homepage



jan (Fotos und Interview)

Das komplette Interview gibt es in der Printausgabe im Januar.

1 Kommentar: