Dienstag, 21. September 2010

ZANN.. Ausweitung der Kampfzone




Zann sind für mich eine besondere Band! Abstrakt und mitreißend. Auf Platte und live stets grandios! Robert, seines Zeichens Sänger von Zann und Inhaber des Bis aufs Messer Plattenladens in Berlin sowie von Adagio 830, beantwortete mir meine Fragen zu 9-5 Jobs, do-it-yourself, das 90er Jahre HC-Revival und die Ausweitung der Kampfzone.


Eines sei vorab gesagt: Das klassische 90er Hardline Vegan SXE – Outfit, inklusive Bandanas, Army-Shorts und Syracus-College-Jacken (Inhalt: Schusswaffen) werden Zann wohl nicht wieder rauskramen.


Hallo Robert,

wie geht's? Wie war die USA-Tour ? Wie oft ward ihr schon dort?

Robert:
Mit geht es bestens, abgesehen von ein paar "First World Problems". Wir sind ja erst vor ein paar Tagen zurück gekommen und ich muss mich noch in den Alltag eingewöhnen. Es war wirklich ne dufte Tour mit zwei duften Bands. (danke noch einmal an Black Kittes und Gods & Queens für alles).
Es war jetzt das 5te mal, dass wir in den USA getourt sind (2x an der Ostküste und 3x an der Westküste) und eigentlich wurde es von Tour zu besser, obwohl ich die Westküste immer noch bevorzuge. Dort ist einfach eine positivere Grundstimmung. Aber im grossen
und ganzen hatten wir für amerikanische Verhältnisse echt gute Touren.

Wo spielt ihr die Shows? In den USA gibt es doch nicht so die Menge an autonomen Zentren, wie in Deutschland?

Robert: An der Ostküste haben wir viele Basements auf der ersten Tour gespielt und nun auf der zweiten Ostküstentour waren es auch ein paar Galerien, Artspaces, Clubs und eben auch ein paar Basements. Bis auf auf das ABC NO RIO in NYC und der Gilman Street in Berkley waren es null Squats. Wie du schon sagst, gibt es das da eben sehr selten bzw eigentlich gar nicht. Es gibt schon alternative Zentren, die dann auch als Artspace etc. genutzt werden, aber es ist in keiner Weise mit unseren Strukturen vergleichbar. Es gibt viel weniger Möglichkeiten bzw werden solche Versuche sofort im Keim erstickt und auch die Polizei greift in den USA viel krasser durch als hier. Wir hatten oft das Gefühl, dass eben eine viel grössere Angst vor der Polizei besteht als hier.


Wo liegen die größten Unterschiede zwischen den Touren dort und Konzerten in Deutschland?


Robert: Ich glaube die grössten Unterschiede sind, dass es selten Essen und Getränke gibt (man muss sich immer selbst verpflegen)
und das man eben viele private Häuser spielt, dass der Schlafplatz nicht immer gesichert ist und dass man schlechter "bezahlt" wird. So kann es oft vorkommen, dass man auch mal nur 40$ bekommt, da es eben nur ne Donation show ist oder so (was gerade sehr hip ist). Das kann eine tourende Band schnell killen und ermöglicht dann eben leider nur noch "rich Kids" die Touren zu machen.

Wir hatten bis jetzt immer Glück und andere Bands haben uns unterstützt etc. - aber im grossen und ganzen ist es viel schwerer die USA zu touren, als Europa. Es gibt da eben auch noch viel, viel mehr Bands, die alle touren wollen und somit hat man manchmal 8 Bands an einem Abend usw. … Dafür fangen die Shows in den USA oft auch zeitiger an und man ist meist 22:00 fertig - was uns alten Männern gut gefallen hat. hahaha


Eure Texte sind eher abstrakt. Durch euch bin ich auf Michel Houellebecq aufmerksam geworden. Ausweitung der Kampfzone? Glaubst du HC kann sich der Ausweitung der Marktlogik auf sämtliche Lebensbereiche entziehen bzw. dem etwas entgegensetzen?



Robert: Hardcore / Punk kann als Gruppierung schon etwas entgegen setzten und sich dem "normalen" Leben teilweise entziehen, wenn man das selbst auch will. Aber über die Jahre hat sich die Hardcore / Punkszene schon sehr mit dem "Mainstream" verflochten bzw. gibt es viele Bands die die Strukturen nutzen und dann bei der ersten Möglichkeit, auch gerne in die "Intro"Szene" überlaufen - wenn du weisst was ich meine?!

Überhaupt hat sich in der Hardcore / Punkscene ja auch eine kleine Welt des Kapitalismus entwickelt, womit ich meine, dass immer mehr Sachen zwar oft unabhängig hergestellt werden - aber es wurde ein Markt geschaffen und immer mehr Geld ist im Spiel.

All die ganzen "merch" Firmen, neuen Bookingagenturen usw sind in den letzten Jahren aus dem Boden gesprossen und viele riechen hier und da den schnellen Taler. Damit will nicht verurteilen, dass Leute damit ihr Geld verdienen (das mache ich ja mit dem Laden / Mailorder auch), da es ja meiner Ansicht immer noch besser ist für sich selbst zu arbeiten und etwas aufzubauen, als im Angestelltenverhältnis sein Dasein zu fristen.
Geld brauchen wir nun mal alle, außer man kann sich seine "Unabhängigkeit" von seinen Eltern finanzieren lassen etc).

Was mich halt stört ist die Art & Weise und das sich vieles nicht mehr vom "Mainstream" unterscheidet - es wird Rockstar und Majorlabel gesspielt .. der einzige Unterschied bleib nur die Größe und die Musik. Der Anspruch und das Politische etc. bleiben immer mehr auf der Strecke und es geht nur noch um Musik.
Texte etc. interessieren immer weniger … Hauptsache man hat ein 4colored Neonmonster T-Shirt. Das ist dann doch nicht meine Welt.


Mit Vendetta/ Adagio 830 und dem Bis aufs Messer Laden in Berlin bestreitest du deinen
Lebensunterhalt nehme ich an. Wie hat das Ganze angefangen?


Robert: Ja das stimmt. Das Label & den Mailorder habe ich circa 1995 gegründet … Es hat mit ner Plattenkiste mit Platten von Freunden auf Konzerte angefangen und ich habe kleine Liste mit der Schreibmaschine getippt und auf Konzerten verteilt, in Briefen verschickt usw. Irgendwann haben mich dann Freunde gefragt, ob ich mich an der Veröffentlichung der Cole Quintett Lp beteiligen will und ich habe ja gesagt, die 250 DM zusammen gekratzt und los ging's.

Ich habe Blut geleckt und somit war das Label geboren :) Dann fing es mit Tauschen an, ich habe mehr Platten in den Distro genommen und immer mehr Platten in den USA bestellt, von denen ich in Anzeigen im Heartattack, MRR, Dogprint usw gelesen habe …. und es wurde immer mehr.

Circa 10 Jahre später war meine Wohnung so voll, meine Freundin wollte zurück nach Berlin und bei einer Tasse Kaffee haben Stefan (den ich schon ewig kenne und der auch Vendetta Records macht und ein paar ZANN -Platten rausgebracht hat) und ich über nen Laden gesprochen. Wir waren beide an einem Punkt im Leben waren, wo wir uns für ein paar neue Wege entscheiden mussten. Von da an ging alles relativ schnell und wir haben uns zusammen geworfen, einen Laden gesucht und los ging es … und nun sind wir hier. Die ersten vier Jahre liegen hinter uns mit dem Laden und es fühlt sich immer noch gut an.

Gab es ein spezielles Erlebnis, bei dem du bemerkt hast, dass du dein Engagement für HC und Punk nicht mit einem traditionellen "bürgerlichen" Lebensentwurf also Schule, Uni/ Ausbildung, 9-5 Job, Heiraten.. was auch immer verbinden kannst?

Robert: Ich glaube, da gibt es nichts bewusstes. Ich bewege mich in der Hardcore / Punk Szene Seite 14 Jahre alt bin und habe seit dem nie wirklich über einen "traditionellen" Lebensentwurf nachgedacht. Ich wollte schon immer mein Ding machen. Auch die "Szene" bewahrt dich nicht vor einem Alltag - er ist vielleicht ein anderer, als der von vielen anderen Leuten - aber es ist eben auch ein Rhythmus und den brauche ich auch.

Ich habe auch 8 Jahre studiert und haben dann eben gemerkt, dass es mich nicht so ausfüllt wie ich es wollte und ich nicht glücklich war. Ich arbeite jetzt mehr als, vielleicht als Lehrer (ich meine, es sind 6 Tage die Woche von 9 - 20:00), aber es fühlt sich nicht als Arbeit an und es macht Spaß. Ich bin eigenständig und habe Spaß. Ich denke, man muss eben immer versuchen das zu machen was man will und glücklich dabei sein. Wenn jemand gerne in einem Büro sitzt und bei einer Bank arbeiten etc. gut findet und sich wohl fühlt, gibt es keinen Grund das zu verurteilen.

Dieses "Arbeit ist scheiße" Motto konnte ich deswegen nie nachvollziehen - da irgendwie alles Arbeit ist. Wichtig ist, dass es sich nicht so anfühlt … Und wenn man den ganzen Tag unproduktiv zu Hause sitzt - das würde mich persönlich mehr ankotzen …

Wann und Wie bist du das erste Mal mit HC / Punk in Berührung gekommen?

Robert: Das war so mit 13 / 14 Jahren - eine Klassenkamerad von mit hatten einen großen Bruder und der hatten ein Punk & Hardcoreplattenladen in der Stadt und hat Konzerte veranstaltet etc. Wir haben dann immer den Garage von ihm abgehangen, Platten & Tapes gehört und sein großer Bruder hat uns immer auf Konzerte mitgenommen. Wir haben ne schlechte Band gehabt und in der Garage rumgeklimpert - aber es war dufte.

Mit meinem Banknachbarn Andre habe ich dann irgendwann ein Punkfanzine gemacht und er hat damals ein Label gegründet, was es heute immer noch gibt. Irgendwann haben wir dann unsere erste Show mit Hammerhead organisiert … danach haben wir gedacht, Konzerte machen ist scheisse. hahaha .. Aber es ging dann doch weiter …

HC und Punk entdeckt man meist als Teenager. Woher kommt die Motivation nach so vielen Jahren immer noch in Jugendzentren zu spielen und noch immer ein aktiver Teil des HC und Punk-Mikrokosmus zu sein?


Robert:
Ich weiss auch nicht - Ich bin jetzt 31 und fühle mich noch immer wie 18 bzw. meistens :). Klar gibt es immer Momente wo man alles in Frage stellt und ich mache auch viel weniger als früher, gehe seltener auf Konzerte etc. Aber dann sieht man manchmal eben eine Band, die einen total umreisst und man weiss wieder, dass man richtig ist. Es ist eben ein Feuer, was man immer mal wieder entfachen muss, dass es nicht komplett erlischt. Ahja und dann sehe ich mir manchmal auch andere Dinge an, und dann weiss ich eben, dass die Punkszene doch alles bietet, was ich gut und wichtig finde - auch wenn ich nicht alles gut finde. So treffen sich doch hier die meisten Punkte, die mir im Leben wichtig sind und ich fühle mich wohl.


In seinem Buch Straight Edge - Clean-Living Youth, Hardcore Punk, and Social Change kommt der amerikanische Soziologe Rob Haenfler zu dem Schluss, dass es im Verlauf der "SzeneZugehörigkeit" - zu SXE, oder auch zu HC insgesamt - von einer Zuschaustellung der Zugehörigkeit z. B. durch das Tragen von entsprechenden T-Shirts, das Besuchen so vieler Konzerte wie möglich, Xe auf den Handrücken etc. zu einer stärkeren individuellen Einpassung der, sagen wir "Werte und Normen" (Tierrechte, Antisexismus, SXE, Vegetarismus, persönliche Integrität u.a.), im Alltagshandeln kommt. Das was einstmals als Anklageschrift auf den T-Shirts stand in Fleisch und Blut überginge. Wie hat sich dein Verhältnis zu HC/ Punk verändert? Was bedeutet für dich HC/ Punk ganz persönlich? Welchen Stellenwert nimmt dabei das d.i.y.-Konzept ein?



Robert:
Ich habe das Buch nur überflogen, von daher kann ich nicht auf das Buch direkt eingehen. Die meisten dieser Bücher fand ich auch nicht wirklich gut und eher langweilig. Aber wie auch immer, ich denke das jeder Mensch versucht seine Ideen, Einstellung etc nach Außen zu tragen. Und Punk will auch provokant sein und viele dieser Shirts waren ja provokant. Ich habe damals auch meine Xe auf den Händen getragen, mein Hardcore-Shirt mit stolz angezogen und fand provokante Slogans super.

Man wollte eben seine Einstellung öffentlich zeigen und auch provozieren. Ich denke über die Jahre bin ich entspannter geworden und viele Dinge sind einfach ein Teil meines Alltags geworden und somit auch selbstverständlich. Ich muss keinem mehr andauernd unter die Nasen reiben, dass ich Straight Edge bin oder Vegetarier. Es ist ein Teil von mir und es wird auch einer bleiben.

Viele Leute, die am lautesten geschriehen haben - sind inzwischen Fleischesser oder haben angefangen zu saufen. Ich weiss nicht, ob es der persönliche Druck ist, dem sich dadurch manche aussetzten und dem sie dann nicht standhalten oder sie eben all das nur machen - weil es gerade "in" ist und es eben alle machen.

Klar ist immer noch komisch, wenn man Leute in der Szene trifft (vor allem in den USA ist es oft passiert), die dann Fleisch essen usw. - das ist schon komisch - weil man es irgendwie als "norm" verinnerlicht hat. Aber wie Chokehold schon sagten "I´m not a fuckin Preacher … " :) (wobei Leute von denen inzwischen auch Saufen etc :( ).

Was mich wirklich nervt: Manche verbuchen es unter "erwachsen" werden. Ich meine was hat das damit zu tun?! Wenn Leute sagen, sie haben keine Bock mehr drauf bzw. sehen keinen Grund dafür etc. - ist das ok, aber "Vegetarier" sein und auch "straight edge" und eben auch Punk ist für mich kein Lebensabschnitt - sondern eine Lebenseinstellung.

Deswegen ist mir das Ganze immer noch sehr wichtig, da ich eben meine Vorstellung von Leben und wie ich mit allem umgehe, in der Hardcore/ Punkszene immer noch am ehesten wieder finde. Dabei ist eben auch DIY für mich ein wichtiger Bestandteil: Wenn mir etwas nicht passt, versuche ich es selbst in die Hand zu nehmen und es zu verbessern. Es wird immer Leute geben, denen etwas nicht passt und die rum meckern - am Ende will ich mir sagen können, dass ich es versucht habe.



Wie sieht es bei den anderen von Zann aus? Haben die klassische 9-5 Jobs?


Robert: John hat seine eigene kleine Buttonfirma mit seinem Bruder zusammen und hält sich damit über Wasser. Uwe arbeitet in einer Firma und macht so Geologiekram in Jena. Mark studiert noch Philosophie und jobbt in einem Skate-Laden. Ronny ist der einzige, der nen richtigen klassischen Job hat. Er arbeitet bei einer Firma für Solarzellen … Am Ende haben wir alle noch genug Zeit für die Band und nehmen sie uns auch, selbst wenn es natürlich schwieriger als früher ist.

Auf eurer Split mit Burial Year covert ihr Burning Bridges von Chokehold. Was denkst du über das 90er Revival (z.B. Foundation, Seven Generations, Abandon, Gather u.a.). Mit kommt es so vor, als wären in diesem Sinne politische Bands wieder vermehrt am Start.

Robert: Ich halte nicht soviel von den Reunions. Es ist ein komischer Beigeschmack und manche sollten es einfach Ruhen lassen. Ich liebe immer noch den Sound der 90er - aber bei denen meisten neuen Bands, die diesen Sound machen bekomme ich keinen wirkliche Gänsehaut mehr, was nicht heissen soll das sie schlecht sind … es klickt manchmal einfach nicht mehr.

Die beste Band, die ich seit langem gesehen habe, die den 90er Sound machen - waren Black Kites, mit denen wir auf Tour waren. Die habe ich mir jeden Abend angesehen und sie haben mich jedes mal umgehauen … und Merkit, die sich leider aufgelöst haben … bei denen habe ich einfach die Energie verspürt, die mich nicht mehr losgelassen hat.

Welche Bands begeistern dich derzeit?

Robert:
Das ist schwer - ich höre gerade soviel unterschiedliche Sachen und krame alte Punkplatten wieder aus, wie HANS A PLAST usw. und höre viel Jazzkram usw zu Hause. Mantles aus San Francisco liegt sehr oft auf dem Plattenteller


Wann gibt es einen neuen Tonträger von Zann ?


Robert: Wir haben zur Tour ne neue 7" gemacht, die es dann mit der "by the Kids vor the Kids" discography gibt, die damals auf Perkoro kam. Die 7" ist auf Protagonist, Adagio830 & Apocaplexy Rekords erschienen :)

Wann kann man euch noch mal im klassischen Vegan SXE Outfit (wie im Booklet eurer Per Koro- Discography) sehen? :-)

Robert: Ich denke niemals, weil das eher ein Spass war und wir damit auch den ganzen Kram auf die Schippe nehmen wollten :)

Last words:

Robert: Bleibt euch immer selbst treu und danke für das interview.


Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast!


jv

(Fotos: Zann)

Zann
Bis auf's Messer

2 Kommentare:

  1. schönes interview. gute fragen. robert = bester typ!
    thumbs up für den blog hier!

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  2. hi, i sell a straight edge shirt on ebay.
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